Mein Schuljahr in den USA – Anna berichtet von ihren Erlebnissen
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Der Start – should I stay or should I go? Abschied Nr. 1 Das Vorbereitungsseminar von Volunta, das ungefähr einen Monat vor meiner Ausreise stattfand, war sehr hilfreich. Alle meine Fragen bezüglich des Schüleraustauschs wurden beantwortet, und ich konnte mich mit anderen zukünftigen Austauschschüler/-innen über unsere Erwartungen austauschen. Danach fühlte ich mich sehr gut vorbereitet und wusste, was mich erwarten würde. Vor meiner Ausreise war ich sehr aufgeregt und freute mich riesig auf das Abenteuer. Diese Zeit war jedoch auch die emotionalste und stressigste. Es gab so viele Dinge zu erledigen und vorzubereiten, und nebenbei musste ich mich auch noch von Freunden und Familie verabschieden. Alles erschien sehr surreal, und das Packen war das reinste Chaos. Am Tag meines Abflugs, Mitte August 2023, waren meine Gefühle sehr gemischt, und ich wollte am liebsten alles absagen und nicht in den Flieger steigen. Die ganze Situation hat mich etwas überfordert, doch meine Familie hat mir bis zur Sicherheitskontrolle jederzeit beigestanden und mich unterstützt. Der Abschied war sehr schwer, und es sind einige Tränen geflossen. Dennoch hat mir die Vorfreude auf die USA geholfen, mich zu beruhigen und mich auf die Situation einzulassen. |
Luftballons in Seattle
Nachdem ich drei Tage zur „Orientation“ in New York City war, bin ich weiter zu meiner Gastfamilie nach Seattle geflogen. Dort wurde ich sehr herzlich mit Luftballons am Flughafen empfangen. Alles war sehr überwältigend: neue Menschen, eine neue Umgebung, ein neuer Lebensstil und eine neue Sprache. Die ersten Tage in meiner Gastfamilie waren die schwierigsten für mich. Ich hatte starkes Heimweh und dachte schon daran, meinen Auslandsaufenthalt zu verkürzen. Doch ich gab mir Zeit, mich an die neue Situation zu gewöhnen. Vier Tage nach meiner Ankunft begann die Highschool, und sofort ging es mir besser, da ich beschäftigt war und Ablenkung hatte.
Meine Gastfamilie war deutlich größer als meine Familie in Deutschland. Sie bestand aus vier Kindern (zwei Jungen im Alter von 13 und 14 Jahren sowie zwei Mädchen von 17 und 18 Jahren), meinen Gasteltern, zwei Katzen, drei Vögeln, einem Frosch und einem Salamander. Sie leben in einer Kleinstadt in der Nähe von Seattle, Washington State. Von Anfang an wurde ich herzlich und unterstützend aufgenommen und wie ein echtes Familienmitglied behandelt. Dennoch war es anfangs eine Umstellung, sich an eine so große Familie zu gewöhnen. Meine Gasteltern hatten fünf Jahre in Wien gelebt, sodass meine Gastmutter fließend Deutsch sprach. Obwohl wir hauptsächlich Englisch sprachen, war es hilfreich, jemanden zu haben, der mir bei unbekannten Vokabeln helfen konnte. Der Lebensstil meiner Gastfamilie war in vielerlei Hinsicht ähnlich dem meiner Familie in Deutschland, jedoch gab es auch Unterschiede, an die ich mich anpassen musste. Das Essen war stets gesund, und ich hatte mein eigenes Zimmer, was mir viel Freiraum gab. Meine Gastfamilie hat großen Wert daraufgelegt, dass ich mich in meinem neuen Zuhause wohlfühle. Mit Meinen Gasteltern und auch mit meinen Gastgeschwistern verstand ich mich sehr gut und nahm gemeinsam mit ihnen an den Sportangeboten der Highschool teil.
Highschool, Sport und Kirche – Freunde finden Ich habe die amerikanische Highschool geliebt! Die große Fächerauswahl ermöglichte es mir, Kurse nach Schwierigkeitsgrad und Interessen zu wählen. Mein Stundenplan war jeden Tag identisch: Von 7:30 Uhr bis 14:10 Uhr hatte ich Unterricht in Englisch, Mathematik, Anatomie, US-Geschichte, Töpfern und Jahrbuch. Nach dem Unterricht nahm ich täglich an verschiedenen Sportangeboten teil. Im Herbst machte ich „Cross Country“ (eine Art Rennen/Joggen bzw. Lauf), im Winter entschied ich mich für „Gymnastics“ (Turnen) und im Frühling probierte ich „Track and Field“ (Leichtathletik bzw. Weitsprung) aus. Alle drei Sportarten machten mir viel Spaß, und halfen mir, Freunde zu finden und Kontakte zu knüpfen. Außerdem konnte ich mich fit halten und erlebte einen wichtigen Teil des Alltags eines Highschool-Schülers/-Schülerin in den USA. Mit dem Schulstoff konnte ich gut mithalten, und auch die Sprache war kein Problem. Die Lehrer waren sehr freundlich, hilfsbereit und total unterstützend. Jeden Sonntag ging ich mit meiner Gastfamilie zur Kirche und fand mit der Zeit Gefallen daran. Die Kirche in den USA ist viel moderner und unterhaltsamer gestaltet als in Deutschland. In der Kirche meiner Gastfamilie gab es zahlreiche Jugendangebote und Gruppen. Der Gottesdienst war in verschiedene Altersgruppen aufgeteilt (Highschool-Schüler/-innen, Mittelstufenschüler/-innen, Grundschüler/-innen, Kleinkinder, Erwachsene etc.), wodurch die Themen an die jeweiligen Interessen, Probleme und Bedürfnisse angepasst wurden. Beispielsweise beschäftigte sich der Gottesdienst für Highschool-Schüler/-innen viel mit schulischen Themen, während der Kindergottesdienst mit einem Spiel begann. Zusätzlich engagierte ich mich sozial in der Kirche. Meine Gastmutter hatte mich auf ein Programm aufmerksam gemacht, bei dem ich einmal pro Woche nach der Schule Grundschulkinder betreute. Die Kinder waren sehr süß, und es machte mir viel Spaß, Zeit mit ihnen zu verbringen und mehr über den Umgang mit Kindern zu lernen. Vor Ort hatte ich meinen „Local Coordinator“, meinen Ansprechpartner in der Umgebung. Er stand mir bei Fragen, Sorgen oder Problemen jederzeit zur Verfügung und war immer sehr hilfsbereit und unterstützend. Gemeinsam mit zwei weiteren Local Coordinators organisierte er eine Gruppe von Austauschschüler/-innen, die in der Region ihr Jahr verbrachten. Durch diese Gruppe konnten wir Austauschschüler/-innen an verschiedenen Ausflügen und Aktivitäten teilnehmen, die uns die Gelegenheit gaben, noch mehr zu erleben und zu sehen. Dadurch konnten wir Freundschaften mit anderen Austauschschüler/-innen aus der ganzen Welt schließen und uns über unsere Erfahrungen und Perspektiven austauschen. Das Finden von Freund/-innen war anfangs etwas schwieriger und hat seine Zeit gebraucht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Freundschaften in den USA einen anderen Wert haben als bei uns und oft viel oberflächlicher sind. Dadurch lernt man zwar schnell viele Leute kennen, aber es dauert eine Weile, bis sich gefestigte Freundschaften entwickeln. Mir hat es sehr geholfen, an Sportangeboten teilzunehmen, Leute in meiner Schule anzusprechen und mit meiner Gastfamilie zur Kirche zu gehen. Dort konnte ich viele Gleichaltrige kennenlernen und Freundschaften knüpfen. Trotzdem hatte ich weiterhin viel Kontakt zu meiner Familie in Deutschland. Wir haben ungefähr einmal in der Woche oder alle zwei Wochen telefoniert, was mir ebenfalls sehr geholfen hat. Allerdings habe ich festgestellt, dass dies bei jedem Austauschschüler/-in anders ist und man den richtigen Weg für sich selbst finden muss, um den Kontakt nach Deutschland als Unterstützung und nicht als Belastung zu empfinden. Abgesehen von den ersten paar Tagen in meiner Gastfamilie hatte ich kein richtiges Heimweh mehr, jedoch gab es einige Menschen und Dinge, die ich zu Hause vermisst habe. |
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Leben in den USA Ich habe die Amerikaner/-innen grundsätzlich als sehr freundlich, höflich und hilfsbereit wahrgenommen. In mancher Hinsicht sind ihre Lebensweisen jedoch deutlich konservativer als bei uns Deutschen, was man aber oft erst bei genauerem Hinsehen bemerkt. Es gibt auch viele Unterschiede zum Leben in Deutschland. Zum Beispiel sind öffentliche Verkehrsmittel in den USA sehr eingeschränkt, was zu einer großen Abhängigkeit vom Auto führt. Da meine Gasteltern und Freund/-innen immer bereit waren, mich zu verschiedenen Orten zu fahren, konnte ich mich regelmäßig mit ihnen treffen. Wir haben beispielsweise Cookies gebacken, waren an einem See, shoppen, bei einem Footballspiel oder zusammen essen. Häufig habe ich auch an Wochenendausflügen mit meiner Gastfamilie oder mit anderen Austauschschüler/-innen teilgenommen. Wir waren unter anderem gemeinsam in Seattle, am Meer, bei einem Baseball-Spiel, einer Weihnachtsparade und einem Tulpenfestival. In den Ferien bin ich mit meiner Gastfamilie für ein paar Tage in ein Seehaus im Nachbarbundesstaat Idaho gefahren. Außerdem war ich mit einer anderen Austauschschülerin und ihrer Gastfamilie in Las Vegas. |
Der Abschied Nr.2 und Packchaos reloaded
Die Wochen kurz vor meiner Rückreise waren seltsam. Alles fühlte sich irgendwie ungewohnt an, und es fiel mir schwer zu realisieren, dass die zehn Monate fast vorbei waren. Als die Highschool für mich endete, war ich sehr traurig, weil mir klar wurde, dass ich nie wieder Schülerin an einer amerikanischen Highschool sein würde und mir dieser besondere Teil meines Lebens fehlen wird. Danach habe ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Gastfamilie und meinen Freund/-innen verbracht. Langsam kam die Vorfreude auf Zuhause auf, doch sie wurde von der Trauer über den bevorstehenden Abschied überschattet. Das Packen war ein großes, frustrierendes Chaos, aber ich schaffte es, alles in meine Koffer zu quetschen, worüber ich sehr froh war. Zwei Tage vor meinem Abflug habe ich eine kleine Abschiedsfeier veranstaltet und alle, die ich während meiner Zeit in den USA kennengelernt hatte, eingeladen. Es war schön, alle noch einmal zu sehen und sich verabschieden zu können.
Der Tag meines Abflugs war sehr surreal. Meine gesamte Gastfamilie fuhr mich morgens zum Flughafen. Nach dem Check-in gingen wir gemeinsam zur Sicherheitskontrolle und anschließend zu meinem Gate. Dort verbrachten wir die restliche Zeit zusammen, aßen etwas, spielten Kartenspiele und telefonierten noch einmal mit meiner Familie in Deutschland. Als das Boarding begann, verabschiedete ich mich mit vielen Tränen und Umarmungen von meiner Gastfamilie. Es war eine sehr traurige und ungewohnte Situation für uns alle.
Nach zehn Stunden Flug wurde ich dann Zuhause von meiner Familie herzlich mit Plakaten und Luftballons empfangen. Alle Menschen, Tiere, Orte und Dinge wiederzusehen, die mir so lange gefehlt hatten, fühlte sich gut an. Es kam mir vor, als hätte ich mein Leben auf der anderen Seite der Welt nur geträumt. Zwei Tage nach meiner Ankunft telefonierten meine Familie und ich gemeinsam mit meiner Gastfamilie, was uns allen sehr half, mit der Situation umzugehen. Wir schreiben uns immer noch viel und geben uns regelmäßig Updates aus unseren Leben. Ab und zu telefonieren wir, obwohl das wegen der Zeitverschiebung manchmal schwierig ist. Mein amerikanisches Leben fehlt mir sehr, aber ich habe mich schnell wieder an Deutschland, das deutsche Leben und die deutsche Sprache gewöhnt. Anfangs verglich ich vieles in Deutschland mit den USA, und auch heute passiert mir das manchmal noch.
Ein paar Tipps für dich!
Auch wenn man eine Vorstellung davon hat, wie die Zeit im Ausland aussehen wird, ist es wichtig, sich nicht zu sehr an Erwartungen zu klammern und offen für Neues zu sein. Es ist entscheidend, sich auf die Höhen und Tiefen der Erfahrungen einzulassen. Außerdem hat es mir geholfen, nicht zu viel zu packen und Dinge wie Schulsachen vor Ort zu kaufen. Drogerieartikel, wie Deo, sind in den USA allerdings sehr teuer, daher empfehle ich, davon einen kleinen Vorrat mitzunehmen.
Genieße die Zeit im Ausland so gut wie möglich und betrachte jede Hürde als Teil der Erfahrung, aus der man lernen kann. Die Zeit wird sehr schnell vergehen. Versuche, so wenig wie möglich „Nein“ zu etwas zu sagen und jede Gelegenheit zu nutzen. Komm aus dir heraus, geh auf andere zu, um neue Freundschaften und Kontakte zu knüpfen, und erlebe eine ganz besondere Zeit deines Lebens.
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Anna war im Schuljahr 2023/2024 für 10 Monate in Seattle (USA) – mit Unterstützung von „Deutsches Rotes Kreuz in Hessen Volunta gGmbH“