6 Monate in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen in Brüssel
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„Nicht die tollste Zeit auf Erden – aber trotzdem total wichtig für mich“
Hi Ho, mein FSJ war nicht die tollste Zeit auf Erden, aber trotzdem total wichtig für mich und ich bin froh, es gemacht zu haben. Hier long Story short: Ich bin Louisa, komme aus Berlin und hab mit 17 Jahren meinem Bachelor in Münster angefangen. Eigentlich wollte ich eine Weltreise machen, aber es war 2020 und Corona und alles keine gute Zeit für mich. Mein erstes (online-) Studienjahr war ganz furchtbar. Ich kannte die Stadt, die Uni und die Leute nicht und weil Lockdown war, konnte ich sie auch nicht kennen lernen. Dementsprechend war ich sehr einsam. Weil das Studium mit dem Inhalt (internationale Beziehungen/Politik) aber voll meins war und nur die Art des Studierens so doof, hab ich mich entschlossen, erstmal ein Jahr Pause zwischen das erste und das zweite Studienjahr zu legen. Wenn man ein Urlaubssemester beantragen will, muss man einen Grund vorlegen. Das kann sein: Schwangerschaft, schwere Krankheit, Praktikum, Wehrdienst, FSJ. Es war eigentlich nur Ausschlussverfahren. Ich habe mich sehr spät, also bestimmt erst im Sommer 2021 intensiv auf die Suche nach einem seriösen FSJ Platz umgeguckt. Ihr werdet bestimmt wissen, dass es 1000 Angebote gibt, Schildkröten irgendwo für sehr viel Geld zu retten. |
Dann habe ich den VAP IB gefunden und der hatte noch ein paar letzte Plätze frei. Ich entschied mich für die Arche in Brüssel. Eigentlich nur, weil ich wusste, dass Französisch noch einmal wichtig für mich werden würde, sollte ich in die Diplomatie gehen, und Brüssel für die EU Politik sehr wichtig ist. Und ich wollte lieber was mit Menschen als mit Tieren machen. Man sieht, wieder Ausschlussverfahren. Ich habe immer gewusst, dass ich später nicht in einem solchen Beruf arbeiten wollen würde, aber ich dachte, einen ganz anderen Job für 12 Monate kennenzulernen, den ich nie wieder machen werde, wird mir wohl viele andere Perspektiven bieten. Und das war auch so.
„Arche“ – Wohnheim für Menschen mit Behinderungen
Die Zeit in der Arche war sehr … intensiv. Ich lebte mit zehn Bewohnern mit Behinderungen zusammen und vier anderen Freiwilligen, die entweder fließend Französisch sprachen oder Franzosen waren. Mit den anderen Freiwilligen habe ich mich okay verstanden, aber wir wurden nicht die engsten Freunde. Manche Bewohnerinnen auf der anderen Seite, waren die süßesten Mädels überhaupt. Die hatte ich sehr lieb und die mochten Kuscheln genauso gerne wie ich. Natürlich ist die Arbeit teilweise sehr anstrengend, und die anfängliche Sprachbarriere und Überforderung im Umgang mit Menschen gehört auch dazu. Ich wurde mit einem anderen Freiwilligen immer enger und ging schließlich eine Beziehung ein, die mir nicht guttat. Das hat mich so stark belastet, dass ich schließlich an einem ähnlich düsteren Punkt war, wie zu meiner Zeit in Münster. |
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„…was ich gelernt habe: Nein zu sagen, Dinge abzubrechen, wenn sie nicht guttun, und Französisch“
Nach sechs Monaten, im Februar war das Zwischenseminar.
Dort haben wir, wie immer, viel über uns gesprochen und alle haben von ihrer wahnsinnig tollen Zeit in ihren Einsatzstellen geschwärmt. Da ist mir erst so richtig aufgefallen, dass bei mir nicht alles gut war und einiges schieflief. Das IB Team war das tollste überhaupt! Sie haben mich gefragt, wie es mir geht; was los ist und haben mir das Gefühl gegeben, schon aus Prinzip auf meiner Seite zu sein. Das klingt doof, aber das war ziemlich wichtig, weil ich selber nicht mehr wusste, was Teil von „Ich muss das aushalten und stell dich nicht so an.“ war und was Teil von „Das tut mir nicht gut und ich muss es nicht aushalten“ ist.
Ich weiß noch, bei einem Mittagessen saß ich neben den Teamern und hab wohl angedeutet, dass ich lange auf das Zwischenseminar gewartet habe, weil ich keine gute Zeit in Brüssel hatte. Eine Teamerin hat mich dann an die Hand genommen, ist mit mir spazieren gegangen und als wir zurück kamen stand fest, dass ich den Freiwilligendienst beenden würde. Die Idee hatte ich davor gar nicht.
Ich glaube, dass ist das Größte, was ich gelernt habe: „Nein“ zu sagen, auf die innere Stimme hören und Dinge abzubrechen, wenn sie einem nicht guttun. Naja, das, und dass ich Französisch gelernt habe 😉
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Auf Reisen und neue Pläne
Die übrigen Monate bis zu meinem Semesterstart im September war ich endlich Reisen: habe ein Hostel in Portugal geleitet, habe Motorradunfälle in Thailand gebaut, hab zwei Tauchscheine in Malaysia gemacht, eine neue Beste Freundin in Vietnam kennengelernt, hab meine Patenkinder in Laos besucht, bin wegen zu scharfem Essen ohnmächtig geworden und hab mich in Singapur tätowieren lassen. Jetzt bin ich 21, im letzten Semester und schreibe euch gerade lächelnd von meinem Schreibtisch in den Niederlanden. Tja, so kann das Leben laufen. Not gonna lie, ich bin ziemlich stolz auf mich. Ich finde, mein Leben ziemlich cool und das, was ich gemacht habe ziemlich cool und das, was ich machen werde auch ziemlich cool. Ich will auf Französisch meinen Master machen, weil die Sprache zu meinem Hobby geworden ist und ich will noch einen Freiwilligendienst über den IB machen. Und dazwischen wird es auch mega 😉 |
Ich hoffe, ich habe euch keine Angst gemacht. Eigentlich will ich euch nur sagen: traut euch! Mut lohnt sich immer. Schlechte Erfahrungen sind nichts Schlimmes und selbst wenn etwas wirklich schieflaufen sollte, das IB Team ist felsenfest auf eurer Seite. All in all, ich wünsche dir Mut und aufgeregtes Kribbeln und ganz viel Spaß. Küsse gehen raus, deine Louisa
Louisa war 2021/22 in Brüssel und wurde unterstützt vom Volunteers Abroad Program des Internationalen Bundes.